Menschenschicksale an Automaten

So logisch und emotionslos Automaten selber erscheinen, rufen sie doch in Menschen zutiefst irrationale Mächte hervor:  Hilflosigkeit, unlogische Handlungen, Fluchen und Wimmern, verbale und physische Kommunikationsversuche, gar rohe Gewalt — besonders, wenn sich der Automat an öffentlichen, stark frequentierten Orten befindet, und desto mehr, je geschlossener und enger dieser Ort seiner Natur aus ist. Man denke an eine Straßenbahn oder eine Regionalbahn.

Der Geldwechselautomat mag noch so deutlich andeuten, dass er nur 5- und 10-Euroscheine akzeptiert: Manch einer versucht mit stetig steigender Verzweiflung einen 50-Euroschein hineinzuschieben und dann, wenn er festklemmt, wieder herauszuziehen. 15 Mal. Dann werden alle möglichen Knöpfe gedrückt, sich wieder hingesetzt, um bald wieder aufzuspringen und den gleichen Vorgang zu wiederholen, gewissermaßen als Dokumentation des guten Willens den Fahrschein zu lösen und damit den Sanktionen des Über-Schaffners zu entkommen, der jede Sekunde sich aus der anonymen Gaffermenge herauszulösen und sein Urteil zu vollstrecken droht.

Je länger dieses aussichtslose Schauspiel dauert, desto mehr Mitreisende legen ihr Buch beiseite und verfolgen gebannt, was das Automatenopfer als nächstes unternehmen wird (ohne dass ihm auch nur ein einziger zur Hilfe käme). Es probiert Schweizer Franken — vergeblich.

Wenn das automatische Geldwechseln als gescheitert gelten muss, beginnt der Betroffene, andere Reisende — also Menschen, der Barmherzigkeit fähig — zu fragen, ob sie nicht aus ihrer Barschaft 50 Euro wechseln könnten. Nachdem die dritte Person die Frage verneint, als hätten sich alle verschworen, schweift der hoffnungslose Blick auf die ferneren Reihen, die auch die letzte Hoffnung im Keim ersticken lassen. Es ist furchtbar mit anzusehen.

Nun – inzwischen sind fast alle Augen auf den illegalen Fahrgast gerichtet – versucht er es noch einmal, um schließlich vor aller Augen aufzugeben. Welch ein Schicksal. Dann verlasse ich die Bahn und ein uniformierter Vertreter der Verkehrsbetriebe steigt ein.

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