Entschuldigung – ich glaube, Ihr Handy ist an.

Verbotspiktogramm
Ein Relikt aus grauer Vorzeit – nämlich von vor einigen Jahren: das Generalhandyverbots-Piktogramm in öffentlichen Verkehrsmitteln. Genaugenommen muss man diesen Hinweisen entnehmen, dass Telefonieren in der Bahn unerwünscht ist. Genau wie Pommes mit Ketchup essen oder Rauchen.

Wenn ich heutzutage mit der Regionalbahn fahre, fällt mir doch auf, dass es kaum noch jemanden gibt, der Zeitung liest. Ich meine eine Zeitung aus Papier. Umsomehr ist man von Leuten umgeben – Überaschung! – die leise oder laut telefonieren, simsen, auf dem Smartphone die Neuigkeiten des Tages verfolgen, whatsappen, daddeln, Apps ausprobieren oder mit albernen jugendlichen Mitfahrern unter Jubelrufen irgendwelche Fotos anschauen und vergleichen. Je nach Tageszeit und Strecke gibt es kaum jemanden, der nicht zumindest zeitweise ein Mobiltelefon oder anderes mobiles Endgerät, wie man so schön sagt, in der Hand hält, um – zum Teil aus dem Sekundenschlaf aufschreckend – drauf zu schauen, ob es etwas Neues gibt.

Wenn man dann ausnahmsweise mal sein eigenes Handy in der Eile zuhause hat liegen lassen, fällt einem auf, wie seltsam das eigentlich ist – ohne gleich kulturpessimistisch digitalen Fortschritt mit gesellschaftlichem Werteverfall gleichsetzen zu wollen.

Ich frage mich, wie die Leute wohl dreinschauen würden, wenn man zumindest denjenigen, der einem direkt gegenüber sitzt, ganz höflich – aber auch etwas irritiert – bitten würde, dies zu unterlassen (und dabei so zu tun, als wäre er der einzige). Natürlich nicht, weil man sich tatsächlich gestört fühlt, sondern einzig um zu schauen, wie die Mitreisenden reagieren würden – um das völlige Unverständnis zu genießen, dass sich wahrscheinlich dann auf den Gesichtern abzeichnen würde. Und um dann ganz höflich und korrekt darauf aufmerksam zu machen, dass das Telefonieren in der Bahn laut der Piktogramme auf der Tür eigentlich gar nicht erlaubt ist. (Dass es sich auf dem Piktogramm um ein Mobiltelefon der Generation C-Netz handelt, müssen wir ja keinem verraten). Wahrscheinlich würden die Leute einen erst einmal von oben bis unten mustern und nach einem Augenblick der Verwirrung einordnen in die Reihe derer, die sich verstrahlt und manipuliert glauben.

Ich erinnere mich noch an die Zeit, als man in Bussen und in der Bahn, besonders in Regionalbahnen, vom Schaffner regelrecht vermahnt wurde, wenn man mit dem Handy telefonierte. So ähnlich wie in Flugzeugen, in Krankenhäusern oder an Tankstellen. Man machte sich damals Gedanken wegen der Strahlung in geschlossenen Fahrzeugen und wegen der Explosionsgefahr; Zuwiderhandelnde ernteten böse, vorwurfsvolle Blicke, als wolle man das Wohl der Gemeinschaft leichtsinnig, ja fahrlässig aufs Spiel setzen. Von der Blut-Hirn-Schranke war da die Rede und von allen möglichen Gefahren, die vom Mobilfunk auf die Gesundheit und auf allerlei technisches Gerät auszugehen schienen. Telefonieren in Bahnen war so unhöflich wie die Füße auf den Sitz zu legen oder den Nachbarn vollzukrümeln. Es galt mehr oder weniger als gefährlich. Und so lange ist das jetzt auch noch nicht her.

Heute scheint das niemanden mehr zu kratzen. Und manchmal frage ich mich: zurecht? Oder haben wir uns einfach daran gewöhnt, Informationen überall und in jeder Form digital verfügbar zu haben und machen uns deshalb keine Gedanken mehr? Weil es ja alle machen? Weil man bisher noch keine nachteiligen Dinge nachgewiesen hat? Oder weil die Blut-Hirn-Schranke schon längst überwunden ist? Mmh. So richtig sicher bin ich mir da manchmal nicht. Bequem ist es auf jeden Fall. Und man gewöhnt sich so schnell daran. Wie ein Bekannter, der letztens jemanden treffen wollte, dann aber sein Handy vergaß und leicht hilflos und panisch um sich schauend ausrief: „Wie war das nochmal? Wie haben wir das nochmal früher gemacht?!“

Ich kann das ja in einem geeigneten Moment mal probieren. Vielleicht wenn die Bahn nicht ganz so voll ist. Wenn ich das nächste Mal mein Handy, mein Diensthandy, mein Tablet und meinen iPod zuhause vergessen habe. Und wenn mir dann jemand blöd kommt, stecke ich mir ganz selbstverständlich ne Kippe an. Mal schauen, was dann passiert. Zu schade nur, dass ich nicht rauche. E-Zigaretten sind ja wohl nicht dasselbe, habe ich mir sagen lassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.