Auf der Hut

Nun sollte man glauben, dass unserer Tage Hüte und Mützen nicht mehr zur Grundausstattung des Menschen gehören, wie es früher der Fall war. Können traditionelle Hutgeschäfte überhaupt noch überleben?, fragte ich mich bangevoll, kurz nachdem ich in meine Provinzstadt gezogen war und zum ersten Mal an dem Hutgeschäft in meiner Nachbarschaft vorbeiging, das in einem der Schaufenster mit liebevoller Auslage um gediegene und teils kecke Kopfbedeckungen warb. Wie naiv von mir! Nur wenige Tage später war die Ladendekoration ausgeraubt. Es gibt sie offensichtlich noch: die introvertierten mode-unsicheren Wenig-Weggeher, die vor einem wichtigen Abendessen merken, dass der alte hochgeschätzte Hut doch nicht zum neuen Mantel passt und in einem Akt der Verzweiflung Fakten schaffen, um bei den Kollegen oder den lang verabredeten hoch betagten Schwiegereltern nicht negativ aufzufallen.

Hehlerhutware? Sicher nicht! Dieser Hut wurde ehrlich erworben.

Lassen sich Hüte besonders gut auf dem Schwarzmarkt verkaufen? – In einem Online-Auktionshaus gestohlene Hehlerhutware wieder-zuerkennen und den Tätern auf die Spur zu kommen, dürfte recht schwer sein bei dem vielfältigen Hut- und Mützenangebot und massenhaft verbreiteten Markenfälschungen, die auf den europäischen Markt drängen. Oder handelt es sich am Ende um Versicherungsbetrug, zu dem die Hutgeschäftsinhaber sich angesichts der Wirtschaftskrise gezwungen sahen? Dieser Verdacht kam in meinem Bekanntenkreis auf, nachdem der dritte Schaufensterhutraub innerhalb weniger Wochen offensichtlich wurde. Immer wieder wurde nachdekoriert – erst komplett, dann mit weniger Hüten aber dafür durchwachsen von stilvollen Pflanzenelementen. Schließlich – so musste ich vor wenigen Tagen feststellen – gaben sich die Hutverkäufer geschlagen: Ein handgeschriebener erbitterter Aushang gleich einer weißen Flagge bedeutet dem Passanten, dass man es aufgegeben habe – ein schwerer Rückschlag für die Zivilisation.