Kranichfeld, Oktober 2011


In der Mitte des Bilds: Unterschloss Kranichfeld in Thüringen. Hier ist der Falkner Herbert Schütz mit seinen Greifvögeln zuhause.
Mit Schneekopfadler in Kranichfeld. Man sollte die Hand immer hoch halten, damit der Adler nicht in Versuchung kommt, einem auf den Kopf zu steigen. (Foto: ep)
Adler
Adler während der Vorführung
Oberschloss Kranichfeld von der Vorburg aus gesehen.

Adler und Milane kreisen durch die wolkenverhangenen, regenschweren Lüfte, vom Niederschloss Kranichfeld, wo sicher der dort ansässige Falkner Herbert Schütz mit seinen majestätischen Tieren übt.

Gestern waren wir hier zur Greifvogelvorführung und ich durfte einen Schneekopfadler auf meiner historisch behandschuhten Hand landen lassen und bekam zum Abschied eine große Schwanzfeder seines Mönchgeiers geschenkt.

Heute haben wir das Oberschloss besucht, oder besser, was davon übrig ist. Halb Ruine aus dem 12. Jh., halb Museumsanlage, zeugt es vom Schicksal vieler früheren fürstlichen Domizile in Thüringen, die heute allenfalls noch Touristen locken oder für Trauungen und Familienfeiern genutzt werden und so zu bescheidenen Ehren kommen. Wie das Oberschloss, dessen Verfall entgegen sich seit Anfang der 1980er Jahre ein Förderverein und seit einigen Jahren die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten bemüht. Das Personal wird von der Stadt bzw. vom Arbeitsamt auf Ein-Euro-Stundenbasis bezahlt, die sympathische Dame am Eingang in der Vorburg berichtet uns im Regen gewissenhaft und persönlich engagiert von der Geschichte des Schlosses. Es sind nur wenige Besucher, die heute den braunen touristischen Hinweisschildern folgen und mit ihrem Eintrittsgeld und Kartenkauf die kleine Kasse füllen.

Der sog. alte Palas des Oberschlosses - hier in der Dekoration für eine Hochzeit.

Wir treten ein über die kleine Brücke. Der alte Rittersaal im Haupttrakt riecht angenehm nach altem Gemäuer und nach dem Holz, das in der Dachkonstruktion verbaut wurde, die man von unten sieht. Eine kleine Kostümausstellung im Eintrittsbereich ist den Rosenfesten gewidmet, die seit den 1990er Jahren regelmäßig stattfinden, bei denen die Rosenkönigin gekürt wird.

Dann geht es schon weiter in den sogenannten Palas, einen Festsaal mit Mini-Kapellenanbindung, der heute für Trauungen genutzt wird. Hier und nebenan bekommt man einen Eindruck in den historischen Abriss der Burg, die auf das 12. Jh zurückgeht und eine sehr wechselhafte Geschichte hatte. Ursprünglich in der Hand diverser Thüringischer Fürsten und deren Witwen, gelangte sie 1898 schließlich in häufig wechselnden Privatbesitz, wie der Flyer informiert.

Den Einbruch schlechthin stellte 1934 ein Großbrand dar, der das Schloss fast vollends innen zerstörte, und von dem man bis heute nicht vollständig ausschließen kann, dass er bewusst vom damaligen industriellen Besitzer wegen der Versicherung verursacht wurde – der Brand begann an zwei verschiedenen Stellen, was den Verdacht der Brandstiftung nahe legt. In der Ausstellung zu sehen sind zeitgenössische Berichte über den Brand und die Löscharbeiten sowie beeindruckende Fotos des Interieurs um die Jahrhundertwende.

Der 1934 vollends zerstörte Ost-Teil des Oberschlosses.

Dann kam die SS und zwang Buchenwaldgefangene zu Reparatur-Arbeiten an Dächern, wovon historische Dokumente zeugen. Fast scheint es, als hätte die Burg sich nie von diesem dunklen Teil ihrer Geschichte erholt, denn seitdem hat sie Schwierigkeiten der Mittel und der Verhältnisse und kämpft nur mühsam um ihren Erhalt. Der Ostteil wurde nie wieder aufgebaut, er ist eine Ruine.

Dank vieler Spenden an den Verein konnte vor einigen Jahren jedoch eine Treppe in den sogenannten dicken Turm eingebaut werden, der eine herrliche Sicht auf das Umland gibt, neuerdings auch überdacht. Die Namen der Spender sind auf Messingschildern am Gelände zu lesen.

 

Die architektonische Posse befindet sich unter dem Erkerfenster.

Kurioses Wahrzeichen indes ist ein steinmetzerischer Schabernack am Südwesterker der Burg, der sog. „Leckarsch“ – die Figur eines Mannes, der im Stehen den Kopf durch die Beine steckt und sich das Hinterteil bleckt. Besucher, die mit der menschlichen Anatomie vertraut sind, kommen nicht umhin, bereits auf den ersten Blick zu erkennen, dass es sich mitnichten um den Popo der Figur handelt (denn daran hält er sich mit beiden Händen fest), sondern um ein anderes Körperteil auf gleicher Höhe, das übernatürlich prominent dargestellt ist. Der Legende nach stellt die Figur einen ehemaligen Besitzer dar, der seinen Bruder erblich übervorteilt haben soll, sodass dieser aus Trotz in die weite Welt zog mit der Ankündigung, aus eigener Kraft eine ebensolche Burg bauen zu wollen, worauf der Besitzer ausrief, dass er – wenn der Bruder dies schaffe – besagtes Kunststück vollführen würde. Gesagt, getan: Der frustrierte ausgezogene Bruder soll sein Ziel erreicht haben und so soll das Bild zustande gekommen sein. Da die Figur aber erst sehr viel später angefertigt wurde, bestehen Zweifel am Wahrheitsgehalt der Legende. Vielleicht ist die Posse einfach der frischen guten Luft und den Thüringischen Wurstwaren und Getränken zu verdanken, denen die Steinmetzen herzhaft zusprachen? Wir werden es wohl nie erfahren. Eine Heiligenfigur ist es nicht.

Aussicht vom Dicken Turm auf die Umgebung.