Kapuziner-Grüfte scheinen die Eigenart zu haben, sich vor den Lebenden verstecken zu wollen: So ließ sich die Begräbnisstätte von Kaiserin Elisabeth (Sisi) und Kaiser Franz Joseph I. in Wien erst nach Stunden – obwohl mitten in der Stadt – finden. Und auch in Brno (Brünn / Tschechien) verweigerte sich die Kapuziner-Kirche letzten Sommer nebst dazugehörender Gruft zunächst meinem Besuch: Egal, von welcher Seite ich mich dem im Stadtplan eingezeichneten Ort näherte, kam ich in mancher Gasse heraus, bloß nicht in der richtigen. Erst als ich etwas völlig anderes suchte, tauchte sie plötzlich vor mir auf. Vielleicht liegt es nicht so sehr an meiner Orientierung als im Wesen dieser Orte: Man solle die Ruhe der Verstorbenen nicht stören.
Schon das Äußere hatte etwas, das mich erst einmal innehalten ließ (vielleicht ist es auch alles Einbildung). Aber ich ging hinein und kaufte an der recht verlassenen Kasse ein normales Ticket, ohne zusätzliche Fotoerlaubnis – eine Entscheidung, die ich nicht bereut habe. Zunächst führt einen der Weg in den Eingangsbereich, wo es Repliken der 2011 entdeckten Wandzeichnungen vom Loreto-Heiligtum in Prag gibt. Sie zeigen den Tod als Triumphierenden.
Es kann einem schon ziemlich anders werden. Ehrlich gesagt hatte ich Schwierigkeiten, mir auch nur die Eckdaten zu merken, außer, dass es Kapuziner-Mönche sind, die in der Gruft meist in Särgen mit gläsernen Deckeln beigesetzt sind sowie Unterstützer des Ordens und weitere Würdenträger. „Würde“ ist hier aber relativ zu betrachten. Manchem Verstorbenen war der Schädel in entstellender Weise halb eingefallen und man fragt sich unwillkürlich: Was ist der Mensch? Ich erinnere mich an kaum an einen anderen Ort, an welchem dem Besucher die Vergänglichkeit des Lebens so deutlich vor Augen geführt wird.
Die Einführung erläuterte auch, dass die Leute früher weniger Angst vor dem Tod selber hatten, als nicht darauf vorbereitet zu sein. „Früher“ heißt Mittelalter. Sich auf den Tod vorzubereiten und geistige wie irdische Dinge für den Fall der Fälle zu regeln nannte man die „Kunst zu sterben“, „Ars Morendi“ – im Gegensatz zur Kunst zu leben, „Ars Vivendi“.
Das Vertrauteste an diesem Ort war eine Tafel, auf der die Geschichte der Wiederauferweckung des Lazarus durch Jesus zu lesen war. Leben! Gefühle! Der Heiland! So lebendig wirkte diese Geschichte in dieser Umgebung, als wäre ich dabei gewesen und als sei ich selbst mitgestorben und nur durch das wunderbare Eingreifen von Jesus gerettet worden. Zumindest fühlte es sich wie ein kleines Wunder an, diese Schattenwelt wieder zu verlassen und frische Sommerluft zu atmen.
Ob die Mönche genau diesen Effekt beabsichtigt haben? Die Kapuziner-Gruft ist auf jeden Fall eines: eine Mahnung an die Lebenden. Hier wird einem auf dramatische Weise klar, wie unendlich kostbar das Leben ist, das im Alltag oft so selbstverständlich erscheint. Und dass jeder Tag zählt!